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70. Ausgabe - Oktober 2025
Zwischen Macht, Lobby und Verantwortung
Entscheidungen werden vorbereitet, aber wer sie trifft, bleibt unsichtbar

Noch vor wenigen Monaten erklärte Friedrich Merz, Deutschland habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Kaum war der Weg ins Kanzleramt frei, folgte die Kehrtwende: Mit dem alten, bereits abgewählten Parlament wurde die höchste Neuverschuldung der Nachkriegsgeschichte beschlossen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das als Vertrauensbruch empfunden und fragen sich, wer hier eigentlich regiert. Die Politik, die Lobby oder ein Verwaltungsapparat, der längst seine eigene Logik verfolgt.
Politikerinnen und Politiker aller Parteien klagen über denselben Befund: zu wenig Zeit für das Wesentliche, zu viele Abhängigkeiten, zu viele Gremien. Statt zu planen, zu entschlacken und zu erneuern, verwalten sie Krisen. Inmitten eines Geflechts aus Beauftragten, Behörden, Verbänden und Kommissionen verschwimmen Verantwortung und Ziel. Die Verwaltung produziert Papier, wo Entscheidungen nötig wären. Und während Milliarden verschoben werden, geht das Vertrauen der Bürger verloren.
Der Staat wirkt überfordert, nicht weil die Menschen zu viel fordern, sondern weil Strukturen sich selbst im Weg stehen. Sparen fällt dort schwer, wo Macht, Besitzstand und Absicherung ineinandergreifen. Pensionslasten wachsen, Fördergelder versickern, und in der öffentlichen Debatte wird lieber über Härte gegen vermeintlich Arbeitsunwillige gesprochen als über die Ineffizienz im eigenen System.
Dass sich Lobbys durchsetzen, ist keine neue Erkenntnis. Neu ist, wie offen das inzwischen geschieht. Vertreter der Industrie, der Banken und der großen Digitalunternehmen gestalten Gesetze mit, schreiben Anträge vor und liefern Formulierungen, die später unverändert im Gesetzblatt stehen. Horst Seehofer sagte einst sinngemäß: „Diejenigen, die gewählt sind, haben nichts zu sagen, und die, die etwas zu sagen haben, sind nicht gewählt.“ Ein Satz, der heute aktueller klingt denn je.
Am Ende bleiben die Bürgerinnen und Bürger, die all das finanzieren. Sie zahlen höhere Steuern, tragen immer neue Abgaben, während sich an Schulen, Kliniken oder Straßen kaum etwas verbessert. Es sind nicht die Einnahmen, sondern die Prioritäten, die das Problem sind. Denn Geld ist da. Es versickert nur zu viel und oft an den falschen Stellen.
Andere Länder zeigen, dass Wandel möglich ist.
In Dänemark hat die Regierung Verwaltung und Energiepolitik entschlackt, ohne soziale Sicherheit zu gefährden. In Estland wurde die Digitalisierung zur Entlastung der Bürger genutzt – nicht zu ihrer Überwachung. Und in Finnland gelang es, durch Bildungspolitik und Transparenz verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
In Deutschland dagegen wächst der Unmut. Die Umfragen zeigen, wie das rechte Spektrum immer stärker wird. Diese Verschiebung ist keine Laune der Bevölkerung, sondern die Quittung für politische Selbstbezogenheit. Wenn sich die Politik nicht rasch ehrlich, greifbar und bürgernah handelt, dann werden andere das Vakuum füllen. Und sie werden es nicht mit Vernunft tun. Wer wissen will, woran sich Regierende messen lassen sollten, muss nur in die Bayerische Verfassung blicken: Sie stellt das Gemeinwohl über jedes Eigeninteresse. alf
Anker 1


April 25
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