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71. Ausgabe - November 2025

Industriechemikalien im Trinkwasser

Verunreinigungen in fast allen Wasserbrunnen nachgewiesen

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Reines Trinkwasser wird in Deutschland knapper. Eine aktuelle Untersuchung des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland zeigt, dass in 42 von 46 untersuchten Stichproben PFAS nachweisbar waren. Diese per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen zählen zu einer Gruppe von mehr als zehntausend langlebigen Industriechemikalien, die wegen ihrer Stabilität als Ewigkeitschemikalien bezeichnet werden.

PFAS werden seit Jahrzehnten in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt, etwa in Antihaftbeschichtungen, Outdoortextilien, Papierbeschichtungen, Teppichen, Kältemitteln und auch in bestimmten Pestiziden. Aufgrund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften lassen sie sich kaum durch natürliche Prozesse abbauen und gelangen über Luft, Boden und Gewässer in die Nahrungskette.

Belastete Regionen in Bayern

Von den sechs bayerischen Trinkwasserproben aus der BUNDStudie waren mehrere Standorte auffällig, darunter Holzkirchen, Olching, Passau und Salzweg. In Neuötting überschreiten die im Grundwasser gemessenen PFAS- Werte bereits heute jene Grenzwerte, die ab 2026 gelten sollen. Das dort gelieferte Trinkwasser ist derzeit dennoch unauffällig, da es über Aktivkohlefilter aufbereitet wird. Die Kontamination mit PFAS in Altötting und Neuötting ist seit Jahren dokumentiert. Messungen aus 2015 zeigen Konzentrationen zwischen 0,2 und 0,3 Mikrogramm pro Liter. Erst rund drei Jahre später erhielten Haushalte wieder gereinigtes Trinkwasser aus gefilterten Quellen. Zuvor mussten Brunnen zeitweise abgeschaltet werden.

Neue Grenzwerte für Deutschland

Ab Januar 2026 gelten strengere Vorgaben. Für Trinkwasser werden zwei neue Grenzwerte als Leitindikatoren für die Belastung eingeführt:
PFAS-20 als Gruppe der 20 prioritären PFAS-Substanzen mit einem Grenzwert von 100 Nanogramm pro Liter und
PFAS-4 als repräsentative Auswahl der vier wichtigsten und problematischsten PFAS mit einem Grenzwert von 20 Nanogramm pro Liter
Einige Regionen liegen bereits heute über diesen Werten. Für die Wasserbetriebe bedeutet dies, dass technische Aufrüstungen wie Aktivkohle, Ionenaustausch oder Membranfiltration notwendig werden. Diese Verfahren sind kosten- und energieintensiv.

Gesundheitsbewertung

Internationale Studien ordnen bestimmte PFAS als gesundheitlich relevant ein. Sie stehen teils im Zusammenhang mit erhöhten Cholesterinwerten, Beeinträchtigungen des Immunsystems, Veränderungen der Leberwerte und verringerter Impfantwort. Für einige Stoffe wird ein mögliches Krebsrisiko diskutiert. Die Behörden stützen sich bei der Risikobewertung bislang auf toxikologische Grenzwerte einzelner Verbindungen und auf Summenbewertungen.
In Bayern reagierten auch medizinische Institutionen. Das Bayerische Rote Kreuz teilt mit, dass Blutplasma aus der Region Altötting nicht mehr direkt für Transfusionen verwendet wird, sondern für die Medikamentenproduktion. Ehemaligen Mitarbeitern des Chemiebetriebs Dyneon raten Behörden vorübergehend zu Vorsicht beim Blutspenden.

Verantwortlichkeit und rechtliche Schritte

Die Firma Dyneon, eine Tochter des US Konzerns 3M, stellte PFAS im Chemiepark Gendorf über viele Jahre her. Die Unternehmen vor Ort verpflichteten sich gegenüber der Stadt Altötting, die Kosten für Filteranlagen und deren Betrieb über fünfzig Jahre zu übernehmen. Ob gegen Dyneon eine Klage angestrengt wird, ist weiterhin offen. Der Landkreis prüft rechtliche Schritte. International geriet 3M bereits stärker unter Druck: In den USA einigte sich das Unternehmen mit öffentlichen Wasserversorgern auf einen Vergleich über 10,3 Milliarden Dollar zur Bewältigung von PFAS-Altlasten.

Belastung der Umwelt

PFAS sind inzwischen in Böden, Flüssen und Grundwasser weltweit nachweisbar. Besonders belastet sind Standorte, an denen Feuerlöschschäume eingesetzt wurden, etwa bei Militärstandorten, Flughäfen oder Feuerwehrausbildungsplätzen. Auch Landwirtschaftsflächen können betroffen sein, wenn dort belastete Klärschlämme aufgebracht wurden. Anders als im Trinkwasser lassen sich PFAS aus Lebensmitteln kaum entfernen. Pflanzen und Tiere nehmen die Stoffe über Boden und Wasser auf und reichern sie an.

Perspektiven und mögliche Alternativen

Für zahlreiche Anwendungen existieren heute PFAS-freie Ersatzstoffe, besonders in Textilien, Pfannenbeschichtungen und Kältemitteln. Die Industrie betont jedoch weiterhin die besonderen Eigenschaften fluorierter Verbindungen und warnt vor Einschränkungen. Die Europäische Chemikalienagentur prüft ein weitreichendes PFAS-Verbot, über das voraussichtlich noch dieses oder nächstes Jahr entschieden wird.
Verbraucher haben bislang nur begrenzte Möglichkeiten, PFAS zu erkennen, da eine verpflichtende Kennzeichnung fehlt. Einzelne Hersteller werben freiwillig mit PFAS-freien Produkten. Für private Haushalte kommen Aktivkohlefilter zum reinigen des Trinkwassers infrage, wobei die Wirksamkeit von Produkt zu Produkt variiert.                                                                                                                                                                    fn   

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Oktober 25
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